Die Geschichte der Reitjagden

Ausritte am 3. Und 5. November im Landkreis Stade

Von Hans-Lothar Kordländer

LANDKREIS  STADE. Herbstzeit ist in Niedersachsen Jagdzeit. Dazu zählen auch die Reitjagden, die als Meutejagden, Hubertusjagden, Fuchsschwanz- und  Schlepp- sowie als  Schnitzel- und Parforcejagden ausgetragen werden. Im Kreis Stade gab es am Hubertustag, Freitag, 3. November, in Harsefeld erstmals eine Meutejagd mit dem Hamburger Schleppjagdverein. 

Wenn im Herbst die Felder nach der Ernte brachliegen, ergeht an die Reiter der ersehnte Einladungsruf eines Reitvereins oder Jagdherrn, dem „Fuchs“ unter der Leitung eines Masters oder auch dem hellen Geläut (Bellen) von Meutehunden durch die malerische, herbstliche Landschaft hoch zu Ross zu folgen. Doch die Tradition des „königlichen Sports in Rot“  hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Dieses wunderbare reiterliche Erlebnis für die Pferdesportler, insbesondere aber  die Hohe Schule der Geländegängigkeit für Pferd und Reiter ist gerade auch im Stader Landkreis auf ein Minimum zusammen geschrumpft. Nur noch der Estetaler Reitverein lädt im Frühjahr und Herbst zu Reitjagden ein. Der Fredenbecker Reitverein hält die Tradition mit einem jagdlichen Ausritt aufrecht. Neu dazugekommen sind Reitjagden, die Jagdherr Andreas Viebrock zusammen mit dem Hamburger Schleppjagdverein in Harsefeld  ins Leben gerufen hat. 

Die Gründe für das Schrumpfen von Reitjagd-Veranstaltungen liegen auf der Hand. „Uns stehen einfach nicht mehr die Felder für große Veranstaltungen zur Verfügung“, sagt Fredenbecks Reitvereinsvorsitzender Klaus Hauschild. „Wenn heute Kartoffeln, Getreide und andere Früchte von den Landwirten geerntet sind, dann werden die Felder sofort wieder beackert um Zwischenfrüchte oder auch schon Wintergetreide einzusäen.“  Stoppelfelder, die für einige Zeit brach liegen würden, gebe es heute nicht mehr. 

Als weiteren Grund nennt Hauschild die Turniersportler, die ihre hoch qualifizierten Pferde nicht mehr im Gelände reiten würden. „Die Verletzungsgefahr ist ihnen zu groß“.  So schrumpften die Starterfelder in den vergangenen Jahrzehnten so stark, dass sich ein Ausbauen einer Geländestrecke für immer weniger werdende Jagdreiter nicht mehr lohnt. 

Beinahe jeder Reitverein veranstaltete im Stader Südkreis früher eine herbstliche Reitjagd.  Damals gab es regelrecht Spezialisten, die mit ihren Pferden durch Wälder und über die Felder preschten und die über die Hürden sprangen. Sehr zum Spaß der Zuschauer, die die reitende Gesellschaft in großer Zahl begleiteten. Fredenbecks Reitlehrer Walter Witt erinnert sich an Veranstaltungen auf der Stader Geest an herbstlichen Reitveranstaltungen, an denen weit über 100 Pferde starteten. „In drei Feldern haben wir damals geritten, bei jedem Wind und Wetter.“ 

Nach jeder Reitjagd gab es seinerzeit ein zünftiges „Schüsseltreiben“. Das heißt, es wurde leckere Erbsensuppe genossen. Ein Jagdteilnehmer hielt eine Kritik über den Verlauf der Hatz durch die Herbstlandschaft. Jede jagdliche Veranstaltung endete mit geselligem Beisammensein. 

Über das Jagdreiten schrieb einmal Oberst Wilhelm Müseler, der bei den Reiterleuten wegen seiner Reitlehre einst ein fester Begriff war: „Durch keinen Zweig des Reitens wird die Begeisterung für die Schönheit des Reitsports mehr geweckt und gehoben wie durch das Jagdreiten. Wer einmal auf geeignetem Pferde eine Jagd hinter einer flinken Meute mitgemacht hat, der wird diesen Genuss sein ganzes Leben nicht vergessen. Auf der Reitjagd ist der Reiter am Ziel.  Beim flotten Galopp über Wiesen und Felder, durch Schluchten und Wälder, über Hänge und Gräben, über Mauer und Rick, wenn im Vorwärtsdrange die Pulse höher schlagen, kommt dem Reiter so recht zum Bewusstsein, weshalb er sich manchmal jahrelang mühsam in der Reitbahn abgequält hat.“ 

Der „Sport in Rot“, wie man das Jagdreiten früher bezeichnete, galt von jeher als Aristokrat unter den Sportarten hoch zu Ross und hat Jahrhunderte hindurch seinen exklusiven Charakter beibehalten. Da bei ihm  nichts auf Wettkampf und Spitzenleistung eingestellt ist, gibt es bei ihm auch keiner Verärgerung, Missgunst – keine Sucht, sich Vorteile zu verschaffen. Er wird  nach Darstellung von Experten – und das im Sinne des Wortes – der Sport der Gentlemen bleiben.  Herz verlangt er und Nerv, Beherrschung des Pferdes und eben auch ein gutes Jagdpferd. Reitjagden sind heute  auch für alle Freizeitreiter geöffnet, die ihre Pferde im Gelände beherrschen. 

Bei der Schleppjagd wird eine Lösung auf den Boden tropfen lassen, der die Meute dann durch das Gelände führt. Die Foxhounds der Meute nehmen den Geruch auf und folgen der Fährte. Die Jagdgesellschaft reitet im flotten Galopp hinterher.

Bei den sogenannten Fuchsschwanzjagden trägt der „Fuchsreiter“ eine Lunte an seiner Schulter. Gibt der Jagdveranstalter nach dem Halali (dem Ende der Jagd) die Hatz frei, kann jeder Teilnehmer versuchen, dem „Fuchs“ die Lunte von der Schulter zu reißen.

Zum Abschluss erhält jeder Reiter einen „Bruch“ ausgehändigt. Der Bruch ist ein kleiner Zweig mit Eichenlaub oder er besteht aus Tannengrün oder anderen grünen Pflanzen. 

Müseler behauptet: Jede Jagd ist eine Feierstunden im Leben eines Reiters oder einer Reiterin.“ Doch jeder Pferdesportler sollte dabei die mahnenden Worte von Waldemar Seunigs – ebenfalls ein bekannten Reitausbilder -  beherzigen: „Mensch, sei bescheiden und bedenke, dass so mancher seinen großen Namen hinter Hunden nur dem großen Herzen seiner Pferde verdankt.“ 

>Während St. Georg der Schutzpatron aller Reiter ist, genießt St. Hubertus, der Sohn Herzog Bertrands von Guinne, auch die Verehrung der Jagdreiter, was zur traditionellen „Hubertusjagd“ an jeden 3. November geführt hat. Erstmals an diesem 3. November, Freitag, richtet Jagdreiter Andreas Viebrock aus Harsefeld zusammen mit dem Hamburger Schleppjagdverein eine Hubertusjagd aus, die um 13.30 Uhr bei der Reitanlage Weißenfelde in Harsefeld starten wird. Zuschauer sind und Reiter sind willkommen. 

>Am Sonntag, 5. November  findet die traditionelle Herbstjagd des Estetaler Reitvereins statt. Der amtierende Jagdkönig Arnd Eickhoff bittet um 11 Uhr zum „Stell-Dich-Ein“ auf der Reitanlage der Familie Bellmann in Nindorf bei Apensen, Estetalstraße 12. Das Schüsseltreiben findet im Anschluss an die Reitjagd gegen 15 Uhr  in der Bahnhofgaststätte in Apensen, Industriestraße 1, statt. Die Jagd ist nach Darstellung des Vereins für alle Reiter mit geländegängigen Pferden geeignet.  Es geht über errichtete Naturhindernisse, an denen auch seitlich vorbeigeritten werden kann. Zuschauer, die die Reitjagd mit Autos begleiten wollen, werden durch das Gelände geführt.